Getriebevorauslegung
Mit der Getriebevorauslegung können auf einfache und schnelle Weise Getriebemodelle für die Weiterberechnung in der FVA-Workbench erstellt werden. Nach Vorgabe der Belastungsdaten und des Getriebeaufbaus erfolgt eine automatische Ermittlung der Anzahl der Getriebestufen sowie der Verzahnungsgeometrie. Vor Erstellung des Modells kann der Benutzer die vorgeschlagenen Geometriedaten weiter anpassen. Nach der Übernahme in die FVA-Workbench steht dem Benutzer dann ein, ohne zusätzliche Eingaben, berechenbares Getriebemodell mit allen Verzahnungsstufen, Wellen und Lagerstellen zur Verfügung.
Belastungsdaten und Getriebestruktur
Im ersten Schritt der Getriebevorauslegung kann die Getriebebelastung über die Vorgabe der Leistung und der Drehzahl am Getriebeeingang oder-ausgang oder über die Vorgabe des Drehmoments und der Drehzahl definiert werden. Zusätzlich ist die geforderte Gesamtübersetzung anzugeben und ob ins Schnelle oder ins Langsame übersetzt werden soll. Es können folgende Getriebestrukturen ausgewählt werden:
Ein- und mehrstufige Stirnradgetriebe mit maximal 5 Stufen, für Übersetzungen zwischen 2.5 und 400
Ein- und mehrstufige Planetengetriebe (Minus-Getriebe) mit maximal 3 Planetenstufen, für Übersetzungen zwischen 1 und 150
Einstufige Kegelradgetriebe, für Übersetzungen zwischen 1 und 8
Kombinierte Kegelstirnradgetriebe mit einer Kegelradstufe und maximal 2 Stirnradstufen, für Übersetzungen zwischen 5,5 und 150
Kombinierte Planetenstirnradgetriebe mit einer Stirnradstufe und maximal 2 Planetenstufen, für Übersetzungen zwischen 7,3 und 50
Kombinierte Planetenstirnradgetriebe mit einer Planetenstufe und maximal 4 Stirnradstufen, für Übersetzungen zwischen 4,5 und 1000
Kombinierte Kegelradplanetengetriebe mit einer Kegelradstufe und maximal 2 Planetenstufen, für Übersetzungen zwischen 7,3 und 150
Stufenanzahl und Übersetzung
Die benötigte Anzahl der Getriebestufen sowie die Bestimmung der Übersetzungsaufteilung erfolgt nach der im Forschungsvorhaben FVA 421 „Getriebevorauslegungsprogramm - GAP“ entwickelten Vorgehensweise unter der Maßgabe eines minimalen Gewichts der Zahnräder. Neben der automatischen Berechnung der Anzahl der Getriebestufen kann vom Benutzer auch eine Stufenanzahl ausgewählt werden, die um maximal eine Stufe von der automatisch ermittelten Anzahl abweicht.
Bestimmung der Verzahnungsgeometrie
Der Geometrievorschlag für die Verzahnungsstufen wird so bestimmt, dass das zu übertragende Drehmoment mit der geforderten Mindestsicherheit nach ISO 6336:2019 (für Stirnräder) bzw. nach ISO 10300:2014 (für Kegelräder) übertragen werden kann. Da in diesem ersten Auslegungsschritt einige Faktoren für die Berechnung nur näherungsweise bestimmbar sind, können die im nächsten Schritt berechneten Sicherheiten von den geforderten Mindestsicherheiten abweichen. Insbesondere lassen sich nicht für alle Geometrien die Mindestsicherheiten für Flanke und Fuß gleichmäßig gut annähern, sodass sich vor allem für großmodulige Verzahnungen relativ hohe Zahnfußsicherheiten ergeben können.
Zur Bestimmung des Geometrievorschlags werden die nachfolgend beschriebenen Vorbelegungswerte verwendet. Diese gelten für alle Getriebestufen. Für die einzelnen Getriebestufen lassen sich in der Übersicht über die Stufen lediglich der Werkstoff und bei Planetenstufen die Anzahl der Planeten separat auswählen.
Vorbelegungsparameter
Allgemein
Folgende Vorbelegungswerte für die Vorauslegung der Verzahnungsgeometrien und für die Berechnung der Tragfähigkeiten können vom Benutzer angepasst werden. Die zuletzt verwendet Werte werden in den Benutzereinstellungen der FVA-Workbench gespeichert und bei weiteren Berechnungen als Vorgabewerte verwendet. Die Werte können mit der entsprechenden Schaltfläche auf die Ausgangswerte zurückgesetzt werden. Es ist zu beachten, dass die Vorbelegungen für die Tragfähigkeitsberechnung in das Workbench-Modell übernommen werden.
Anwendungsfaktor
Anwendungsfaktor wird für die Geometrieauslegung aller Stufentypen verwendet.
Geforderte Flankensicherheit
Die minimal geforderte Flankensicherheit bestimmt den erforderlichen Ritzeldurchmesser zur Übertragung des angegeben Drehmoments.
Geforderte Zahnfußsicherheit
Die minimal geforderte Zahnfußsicherheit bestimmt aus dem Ritzeldurchmesser den erforderlichen Modul der Verzahnung zur Übertragung des angegebenen Drehmoments. Damit wird gleichzeitig auch die Zähnezahl des Ritzels festgelegt. Grundsätzlich gilt: Je höher die geforderte Zahnfußsicherheit ist, umso größer wird der Modul und umso kleiner wird die Ritzelzähnezahl (siehe dazu auch: Minimale und maximale Zähnezahl des Ritzels).
Betriebsdauer
Die Betriebsdauer beeinflusst die Vorauslegung der Verzahnung über die Lebensdauerfaktoren. Die Vorgabe einer höheren Betriebsdauer führt dabei tendenziell zu größeren Zahnrädern. Sowohl für Stirn- als auch für Kegelräder wird im Bereich der Dauerfestigkeit eine Absenkung der Lebensdauerfaktoren auf 0.85 bei 1010 Lastspielen berücksichtigt.
Werkstoff
Vorbelegung für den Verzahnungswerkstoff. Es werden nur Eisenwerkstoffe berücksichtigt. Die Werkstoffe können dann für jede Stufe noch einzeln geändert werden.
Gleiche Teiler bei Zähnezahlen vermeiden
Durch Aktivieren dieses Schalters werden Zähnezahlkombinationen in jeweils einer Stufe vermieden, bei denen ein gleicher Teiler vorhanden ist. Dies gilt auch für die Ermittlung der Zähnezahlen bei der Zähnezahlvariation. In Planetenstufen werden die Eingriffe Sonne-Planet und Planet-Hohlrad einzeln betrachtet.
Stirnradstufen
Breitenfaktor
Da für eine sinnvolle Bestimmung des Breitenfaktors eine Gesamtsystemanalyse auf Basis der Getriebeverformungen notwendig ist, wird für die Vorauslegung ein vom Benutzer eingebbarer Wert verwendet. Dieser wird dann auch als fixer Wert ins Modell übernommen. Für die Geometrievorauslegung für Kegelräder ist die Berücksichtigung eines benutzerdefinierten Breitenfaktors nicht möglich.
Minimale Zähnezahl des Ritzels
Diese Angabe begrenzt die kleinstmögliche Zähnezahl für die Ritzel der Stirnradstufen. Darüber hinaus wird anhand der Schubfestigkeit des Werkstoffs geprüft, ob sich das Drehmoment über einen sich aus der Ritzelzähnezahl und dem Modul ergebenden Wellendurchmesser übertragen werden kann. Falls dies nicht der Fall ist, wird die Ritzelzähnezahl entsprechend erhöht.
Maximale Zähnezahl des Ritzels
Bei niedrigtragfähigen Werkstoffen sind zur Übertragung des Drehmomentes relativ große Ritzeldurchmesser notwendig. Mit dem sich aus der geforderten Zahnfußsicherheit ergebenden Modul wird eine sehr große Zähnezahl bestimmt. Mit der Vorgabe eines Maximalwertes kann die Ritzelzähnezahl vom Benutzer begrenzt werden. Dies führt dann zu einem größeren Modul und damit zu hohen Zahnfußsicherheiten.
Verhältnis Breite/Durchmesser
Die Zahnbreiten der Stirnradverzahnungen ergeben sich aus dem vorgegebenen Verhältnis von Ritzelbreite zu Ritzeldurchmesser. Je größer der Ritzeldurchmesser im Verhältnis zur Zahnbreite ist, umso schwieriger ist es, eine gleichmäßige Lastverteilung entlang der Zahnbreite zu gewährleisten. Folgende Einflüsse müssen hier in Betracht gezogen werden:
Einlaufverhalten des Werkstoffs (normalisiert, vergütet, einsatzgehärtet, nitriert)
Art der Lagerung (symmetrisch/asymmetrisch, steif/weich)
Verzahnungsqualität
Flankenkorrekturen
Übliche Werte liegen zwischen 0,6 und 1,2. Für Kegelräder erfolgt die Bestimmung der Zahnbreite nach ISO 23509 (2016) Anhang B.
Schrägungswinkel
Vorgabe des Schrägungswinkels für Stirnräder (siehe auch Punkt „Axialkraftausgleich auf Zwischenwellen“).
Bestimmung der Profilverschiebung
Die Ermittlung der Profilverschiebungssumme erfolgt nach DIN 3962. Die Aufteilung der Profilverschiebung von Ritzel und Rad kann nach folgenden Kriterien erfolgen:
Nach DIN 3962
Gleiche maximale Gleitgeschwindigkeiten nach Niemann/Winter
Gleiche Werte der Profilverschiebung für Ritzel und Rad
Für Kegelräder erfolgt die Bestimmung der Profilverschiebung nach Niemann/Winter.
Bauform des Planetenträgers
Angabe, ob ein ein- oder zweiwangiger Planetenträger einfügt werden soll. Diese Angabe hat keinen Einfluss auf die Verzahnungsgeometrie.
Axialkraftausgleich auf Zwischenwellen
Bei Aktivierung dieses Schalters werden in Getrieben mit Stirnradstufen die Schrägungswinkel der Verzahnungsstufen so bestimmt, dass sich bei Zwischenwellen ein Ausgleich der Axialkräfte ergibt. Die Winkel werden auf 0,5° gerundet. Bei Schrägungswinkelwerten kleiner als 1° werden diese auf 0° gesetzt.
Kegelradstufen
Schrägungswinkel
Vorgabe des Schrägungswinkels für Kegelräder. Auf Zwischenwellen mit Stirn- und Kegelrädern erfolgt keine automatische Bestimmung der Schrägungswinkel zum Ausgleich der Axialkräfte.
Planetenstufen
Bauform des Planetenträgers
Angabe, ob ein ein- oder zweiwangiger Planetenträger einfügt werden soll. Diese Angabe hat keinen Einfluss auf die Verzahnungsgeometrie.
Tragfähigkeitsberechnung
Für die Tragfähigkeitsberechnung gibt es weitere Voreinstellungen, die vom Benutzer angepasst werden können. Sie beeinflussen nur die Berechnung der Sicherheiten und nicht die Vorauslegung der Verzahnungsgeometrien.
Kopfhöhenfaktor
Vorgabe des Kopfhöhenfaktors des Verzahnungsbezugsprofils.
Fußhöhenfaktor
Vorgabe des Fußhöhenfaktors des Verzahnungsbezugsprofils.
Fußausrundungsfaktor
Vorgabe des Fußausrundungsfaktors des Verzahnungsbezugsprofils.
Verzahnungsqualität
Vorgabe der Verzahnungsqualität. Diese bezieht sich für Stirnradstufen auf die ISO 1328 (2013) und für Kegelradstufen auf die DIN 3965 (1986).
Arithmetischer Mittenrauwert Flanke
Für Berechnungen die die gemittelte Rautiefe verwenden wird werden diese Werte mit dem Faktor 6 multipliziert.
Arithmetischer Mittenrauwert Fuß
Für Berechnungen, die die gemittelte Rautiefe verwenden, werden diese Werte mit dem Faktor 6 multipliziert.
Schmierstoff
Auswahl des verwendeten Schmierstoffs aus der Schmierstoffdatenbank der FVA-Workbench.
Öltemperatur
Dieser Wert wird in der Getriebevorauslegung selbst nicht verwendet und nur für weitere Berechnungen an das Workbench-Modell übergeben.
Geometrieanpassung und Tragfähigkeitsberechnung
Im zweiten Eingabefenster der Getriebevorauslegung sind die Ergebnisse der Vorauslegung dargestellt. Im Abschnitt der Getriebedaten sind die Drehmomente und Drehzahlen ersichtlich, die sich aus der aktuellen Gesamtübersetzung ergeben. Zusätzlich wird hier auch für Getriebebauformen ohne Kegelradstufen der Gesamtachsabstand zwischen der An- und Abtriebswelle angezeigt. Bei der Berechnung des Achsabstandes wird auch der jeweilige Achswinkel der Stufen berücksichtigt, der den Winkel des Achsabstandes in der v-w-Ebene zur w-Achse um die negative u-Achse der Ritzelwelle angibt.
Anpassung der Geometriewerte
Die Geometriewerte der Getriebestufen können vom Benutzer geändert werden. Für die Eingabe von gesperrten Werten (z.B. Nomaleingriffswinkel, Modul, Schrägungswinkel oder Profilverschiebung des Rades einer Stufe) muss vorher der Achsabstand gelöscht und eine Profilverschiebung am Rad eingeben werden. Damit ist sichergestellt, dass die eingegebenen Geometriewerte immer zu einer lauffähigen Verzahnung führen.
Zähnezahlvariation
Um die Änderung der Zähnezahlen durch den Benutzer zu ermöglichen und ohne zu weit von der gewünschte Gesamtübersetzung abzuweichen, können die Zähnezahlen in einem eigenen Eingabefenster variiert werden. In diesem Fenster lassen sich für alle Zähnezahlen Variationsbereiche definieren. Durch klicken auf die Schaltfläche „Weiter“ werden dann alle möglichen Kombinationen berechnet und entsprechend der Nähe zur gewünschten Gesamtübersetzung sortiert. Gleichzeitig wird das Gesamtgewicht der Zahnräder und für Getriebe ohne Kegelradstufen auch der Gesamtachsabstand mit ausgegeben. Auch nach diesen beiden Kriterien lassen sich die Variationsergebnisse sortieren. Danach kann eine geeignete Zähnezahlkombination ausgewählt und mit einem Klick auf die Schaltfläche „Weiter“ übernommen werden.
Berechnung der Verzahnungssicherheiten
Durch klicken auf die Schaltfläche „Sicherheiten berechnen“ werden für die Stirnrad- und Planetenstufen die Verzahnungssicherheiten nach ISO 6336 (2019) berechnet und angezeigt. Es wird jeweils die niedrigere Sicherheit von Ritzel und Rad einer Stufe angezeigt. Bei Planetenstufen wird die niedrigste Sicherheit aus den Eingriffen Sonne-Planet und Planet-Hohlrad betrachtet. Für eine erste Abschätzung des dynamischen Verhaltens werden Profil-, Sprung- und Gesamtüberdeckungen sowie das Verhältnis der aktuellen Stufendrehzahl zur Resonanzdrehzahl der Stufe mit ausgegeben. Zur Bewertung, ob sich die Axialkräfte auf den Zwischenwelle ausgleichen, werden auch die Axialkräfte der Stufen mit ausgegeben. Für Kegelradstufen wird die Verzahnungssicherheit nach ISO 10300 (2014) berechnet. Hier erfolgt keine Ausgabe der Axialkraft und es wird auf Zwischenwellen mit Kegelrädern kein automatischer Axialkraftausgleich durchgeführt.
Wenn sich aus der Vorauslegung keine berechenbare Geometrie ergibt, werden keine Verzahnungssicherheiten angezeigt. Weitere Informationen werden im Meldungsfenster angezeigt.
Berechnete Sicherheiten, die unter den vorgegebenen Mindestsicherheiten liegen, werden Rot hinterlegt.
Modellerstellung
Durch klicken auf die Schaltfläche „Fertigstellen“ wird die Getriebevorauslegung geschlossen und mit den ermittelten Daten ein neues Modell in der FVA-Workbench erzeugt. In dem so erzeugten Modell sind alle notwendigen Daten für die Berechnung der Verzahnungssicherheiten nach ISO 6336 (2019) bzw. ISO 10300 (2014) enthalten. Vorab sollten die vorgegebenen Berechnungsparameter (z.B. Anwendungs- und Breitenfaktor oder die Daten des Bezugsprofils) geprüft und ggf. angepasst werden. Ebenso kann ohne weitere Eingaben bei Stirnradstufen eine Berechnung der lokalen Verzahnungsbeanspruchungen durchgeführt werden. Bei Kegelradstufen müssen dafür noch im Workbench-Model über das Berechnungsziel "Geometrieauslegung nach ISO 23509 (2016)" die dafür erforderlichen Maschineneinstelldaten erzeugt werden.